„Mehr Sitze als die FDP“ – so hämisch bewarb der Autoverleiher Sixt ein Cabrio-Modell nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag. Tausendfach wurde diese Werbung auf Facebook, Twitter und anderen Online-Diensten geteilt – ein Paradebeispiel für erfolgreiches virales Marketing. Obwohl der Hype um diesen Begriff mittlerweile etwas abgeebbt ist, hat sich die Online-Mundpropaganda einen festen Platz im Arsenal eines jeden Marketing –Verantwortlichen erobert. Grund genug, diese Methode näher unter die Lupe zu nehmen.
Was ist virales Marketing genau?
Der Begriff „viral“ leitet sich von dem Wort „Virus“ab, also jenen kleinen Lebewesen, die Menschen, Tiere und sogar Pflanzen infizieren und anschließend durch den Wirt weiter übertragen werden. Analog dazu sollen Internet-Nutzer durch bestimmten Content so entflammt werden, dass sie die Botschaft freiwillig über Social-Media-Kanäle an ihre Kontakte weitertragen („share“). Weshalb sie das tun? Weil der Content sie in emotionaler Hinsicht angerührt hat. Menschen die diese hochaufgeladenen Inhalte konsumieren, haben das Bedürfnis, die Emotion, die in ihnen ausgelöst wurde, mit anderen zu teilen und darüber zu diskutieren, egal ob sie lachen oder weinen, Zorn oder Abscheu empfinden.
Häufig wird virales Marketing mit Video-Inhalten gleichgesetzt, die massenhaft verbreitet werden. Und tatsächlich funktioniert das Bewegtbild in diesem Zusammenhang sehr gut, da es einfacher ist, durch die Kombination von Bild und Ton starke Emotionen auszulösen, als beispielsweise durch reinen Text. Aber im Prinzip kann so ziemlich alles viral vermarktet werden – Hauptsache ist, der Content findet Anklang bei einer großen Masse an Internet-Nutzern und ist auf sozialen Netzwerken teilbar.
Beispiele für viralen Content gibt es viele. Eines der bekanntesten Erfolgsgeschichten ist die „Old Spice“-Kampagne, deren witzige und manchmal auch abstruse Videos mit dem Hauptdarsteller Isaiah Mustafa über Social Media millionenfach geteilt wurden und die Interaktionen auf der Facebook-Seite der Marke um ein Vielfaches emporschnellen ließ. 2,5 Millionen „Likes“ auf Facebook zeigen deutlich, wie groß die Macht des viralen Marketings ist, wenn eine Kampagne richtig abhebt. Im deutschsprachigen Raum schaffen es der Autoverleiher Sixt oder die Baumarktkette Hornbach immer wieder, durch pointierte Werbekampagnen ihre Zielgruppe viral zu aktivieren.
Lässt sich eine solche Kampagne planen?
Nicht zu 100 Prozent. Man kann jedoch im Vorfeld seine „Hausaufgaben“ machen und die Weichen entsprechend stellen, um zu verhindern, dass eine virale Aktion komplett in die Binsen geht.
Schritt 1 ist die Wahl der Multiplikatoren, die den eigenen Content in die Zielgruppe der Kampagne hineintragen können. Dies sind in der Regel Journalisten, Blogger, Youtuber und Internet-Persönlichkeiten aller Art, meist aus dem Social-Media-Bereich. Dieser Schritt erfordert umfangreiche Analyse. Welche Blogs konsumiert die Zielgruppe? Welche Videos „liket“ sie am häufigsten? Wer hat auf Twitter die meisten Follower aus der Zielgruppe? Aus diesen Daten kann man ableiten, welche Influencer man ins Visier nehmen sollte.
Schritt 2 ist die Contentauswahl – wie kann man die Multiplikatoren, die man in Schritt eins näher bestimmt hat, für den eigenen Content begeistern? Auch hier ist die Analyse die Mutter des Erfolges. Im Vorfeld der Kampagne müssen die Inhalte, die Multiplikatoren bereits in der Vergangenheit veröffentlicht beziehungsweise geteilt haben, näher unter die Lupe genommen werden. Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden,um welche Inhalte es sich handelt und was diese Beeinflusser dazu bewegt hat, speziell diese Inhalte überhaupt zu teilen. Häufig findet man bei der Analyse Muster, die man dazu nutzen kann, den Zielcontent für die gewünschten Multiplikatoren passgenau zu gestalten. Erst dann steht die eigentliche Erstellung des Content auf dem Programm. Dabei sollte man darauf achten, dass die Inhalte auch virale Qualitäten mitbringen, d.h. sie müssen einzigartig, nützlich, überraschend oder unterhaltsam (oder eine Kombination dieser Eigenschaften) sein, damit der gewünschte massenwirksame Effekt erzielt wird.
Schritt 3 ist das Seeding, das heißt, man macht die ausgewählten Multiplikatoren auf unterschiedlichste Weise auf den eigenen Content aufmerksam und hilft durch flankierende Maßnahmen bei der Verbreitung (zum Beispiel durch Facebook-Anzeigen). In diesem Bereich gibt es auch Agenturen, die sich auf Paid Seeding spezialisiert haben. Speziell im Anfangsstadium des Seedings wird auf solche Dienstleistungen zurückgegriffen, um der viralen Botschaft den nötigen Schwung zu verleihen, bis sie im Netz eine Eigendynamik entwickelt.